Warum Karenztage die falsche Medizin sind und niemandem nützen.
Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung im Diözesanverband Regensburg zeigt sich verwundert zu der Forderung für die Streichung der Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag. Diese Diskussion erstaunt umso mehr, da Arbeitgeber bereits jetzt das Recht haben, ohne Angabe von Gründen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen. Dieses Vorgehen wurde 2012 durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil bestätigt (AZ 5 AZR 886/11). Nur durch entsprechende Zusätze im Arbeitsvertrag, Regelungen im Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung kann dieses Recht eingeschränkt werden. Aus Sicht der KAB stehen den Arbeitgebern damit ausreichende Instrumente zur Verfügung, um eventuellem Fehlverhalten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorzubeugen oder rechtlich abzumahnen.
Die KAB warnt vor der zunehmenden Tendenz, dass Beschäftigte in Deutschland trotz Krankheit arbeiten. Dies birgt erhebliche Risiken: Ansteckungen und Unfälle können die Folge sein. Und verschleppte Erkrankungen können zu chronischen Leiden führen. Dadurch spart der Arbeitgeber letztlich nichts.
Ein neuer Bericht zum Rekordkrankenstand in Deutschland zeigt, dass nicht häufiges „Blaumachen“ der Grund für die gestiegenen Fehlzeiten ist, wie die Bundesärztekammer in Verbindung mit einer Studie betont. Vielmehr ist die Einführung der digitalen Krankmeldungen ausschlaggebend, da diese erstmals eine flächendeckende statistische Erfassung von Krankschreibungen ermöglicht. Auch Erkältungswellen und die Corona-Pandemie spielen eine bedeutende Rolle.
Beschäftigten in diesem Zusammenhang pauschal „Krankmacherei“ zu unterstellen, zeugt von fehlendem gegenseitigen Vertrauen. Die deutsche Wirtschaft kann nicht durch Beschäftigte gestärkt werden, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, sondern durch gute Arbeitsbedingungen und die Einsicht der Arbeitgeber, dass sich die Arbeitsbelastung in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, was wiederum zu einer Zunahme psychischer Erkrankungen geführt hat. So meldet die Krankenkasse KKH seit 2022 eine Zunahme von 16% mehr Krankschreibungen und Fehltage wegen seelischer Erkrankungen.
Hinzu kommt, dass kleine und mittlere Betriebe mit bis zu 30 Beschäftigten im Rahmen der Entgeltfortzahlungsversicherung entlastet werden. Diese Versicherung, die für alle Arbeitgeber verpflichtend ist, sorgt dafür, dass ihnen ein Großteil der Kosten der Lohnfortzahlung erstattet wird. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG). In der Praxis liegt die Erstattungsquote je nach Versicherung zwischen 30 und 70 Prozent der Lohnfortzahlung.
Als KAB sehen wir in der Art und Weise wie diese Debatte geführt wird, eine Gefahr für die Arbeitnehmerrechte. Die gegenwärtig angespannte wirtschaftliche Lage, die keineswegs von den Beschäftigten verschuldet ist, darf nicht als Vorwand genutzt werden, um berechtigte Ansprüche der Arbeitnehmer infrage zu stellen. Eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaft lässt sich nicht durch eine Aushöhlung sozialer Schutzrechte erreichen. Vielmehr liegt die Verantwortung für die Bewältigung sozialer Risiken bei der Solidargemeinschaft und den Sozialversicherungen, nicht aber in unangebrachten Forderungen großer Konzerne an die Politik. Die aktuelle Diskussion gibt einen Vorgeschmack darauf, wie Sozialleistungen, die gesellschaftlich verankert sind, unter Druck geraten.
Die KAB fordert daher eine sachliche und faire Debatte, die die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer respektiert und die bewährten Instrumente des Sozialstaats stärkt, anstatt sie zu schwächen. Dabei sollten sich Politik und Wirtschaft ernsthaft mit den Fakten zu den steigenden Krankmeldungen auseinandersetzen. Aktuelle Fehlzeitenanalysen des wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen beispielsweise, dass eine geringere Krankschreibungsquote bei Beschäftigten besteht, die eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber haben.
Bild: KI-Generiert